„PILGERWEGE IM HERZEN“
(2020)

 

Die Überschrift bringt das Leitwort für die Pilgerfahrten in 2020. Abt Ignatius hat einen Vorschlag aus dem Bezirk Mittelrhein aufgenommen und in eine Kurzfassung gebracht. Woher kommt das Leitwort? Es ist aus dem Psalm 84 genommen. Dieser Psalm wurde von den Israeliten gesungen, die zum Tempel in Jerusalem pilgerten. Die Tempelsänger haben das Lied später in ihr Liederbuch aufgenommen. Ganz bestimmt hat auch Jesus diesen Psalm gesungen, wenn er zu einem der großen Feste nach Jerusalem hinaufzog.In Vers 6 des Psalms heißt es in der neuen Übersetzung:

 

Selig die Menschen, die Kraft finden in dir, die Pilgerwege im Herzen haben.

Dass die Beziehung zu Gott für den, der an ihn glaubt, Schutz und Kraft in allen Bedrängnissen bedeutet, war im Leitwort des laufenden Jahres zum Ausdruck gebracht worden: „Meine Kraft und mein Lied ist der Herr“. Wer mit dem Psalm 118 diese Worte sagt, schaut auf eine Erfahrung zurück und ist dankbar. Weil also dieses Element schon im Leitwort 2019 zur Sprache kam, wurde für 2020 aus Psalm 84 nur der zweite Teil des Verses genommen, der auf die Zukunft ausgerichtet ist.

 

Was sagt das Bildwort vom „Herz“?

In der Sprache aller großen Kulturen bezeichnet es die Grunderfahrung des Menschen, dass es in ihm ein Zentrum der Lebenskraft gibt. Das nennt man heute häufig die Personmitte. In der Bibel steht es für die Quelle der seelischen Bewegungen und für den Wurzelgrund der Begabungen. Es geht dabei nicht nur um Gefühle wie Liebe und Mitleid. Es ist auch der Sitz von Funktionen des Verstandes wie Planen und Entscheiden und von Tugenden wie Mut und Tapferkeit. Schließlich wird vom Herzen gesprochen, wenn es um die Beziehung zu Gott geht: Jahwe, der Gott Israels, berührt den Menschen im Herzen mit seiner Gnade, der Lebenskraft die von ihm ausgeht.  Dort wirkt auch sein Geist. Gott erwartet seinerseits, dass er vom Menschen geliebt wird „aus ganzem Herzen“. Es geht also um die Tiefendimension der Persönlichkeit.

 

Was sagt das Bildwort vom „Pilgerweg“?

Auch dieses Wort gibt es nicht nur in der Bibel, sondern auch in der Sprache der Weltreligionen. Der Mensch nimmt die Mühe des Weges auf sich, um der Zuwendung zur Gottheit oder zum Zentrum der Religion, dem Heiligen, persönliches Gewicht zu geben. In Israel war der bedeu-tendste Ort der Tempel in Jerusalem, als Stätte der besonderen Gegenwart Gottes. Der„Pilgerweg“ erinnerte stets an den Weg durch die Wüste in das Gelobte Land. Er wurde dann zum Symbolwort für die Bewegung menschlichen Lebens auf ein Ziel hin.

 

Was bedeutet das für das Pilgern nach St. Matthias?

Pilgern ist nicht nur, dass man sich aufmacht, aus dem Alltag heraustritt und unterwegs ist. Es ist auch nicht nur Bewältigung von Mühe und Erweis von Kraft und Ausdauer. Es ist nicht nudie Erfahrung von Gemeinschaft und gegenseitigem Vertrauen. Es hat durch die Gestalt des Apostels Matthias wesentlich etwas mit Jesus zu tun und mit seiner verborgenen Gegenwart in unserem Leben und mit der Gemeinschaft aller, die an ihn glauben, die wir Kirche nennen. Die beiden Worte zusammen genommen sind ein Anstoß, darüber nachzudenken, wie der Pilgerweg einen Platz im Herzen haben kann. Welche Gedanken und Empfindungen werden dadurch ausgelöst? Welche Konsequenzen hat das für das konkrete Leben? Kann die Wallfahrt nach St. Matthias – im Herzen des Pilgers – etwas bewirken, das über die Tage des Pilgerns hin-ausgeht?Vielleicht kann auch darüber nachgedacht werden, wie andere Pilgerwege im Herzen sein können, sogar der Pilgerweg des eigenen Lebens. Denn für die Christen der Alten Kirche sind wir alle Pilger. Und das Konzil hat die Kirche als das pilgern de Volk Gottes bezeichnet.Liebe Mitglieder der St. Matthias-Bruderschaften und Pilgergruppen, lassen Sie sich anregen,über diese Bildworte nachzudenken. Die drei Weisen aus dem Osten, von denen die Geschichte im Matthäusevangelium erzählt, hatten ihren Pilgerweg im Herzen, und sie fanden das Ziel ihrer Sehnsucht, das Licht für die Völker und das Licht ihres Lebens.

Bruder Athanasius